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Zukunftszeugen VIII - Ole Doering
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5. "Zukunftszeuge" Doering


Was tun Sie konkret, um die medizinethische Debatte in China zu fördern?

Tja, wenig, aber soviel ich kann. Ich habe zwei Symposien veranstaltet, die genau diesen Zweck haben, nämlich die chinesische Medizinethik-Debatte anzustoßen und auch ein bisschen zu fördern. Das erste internationale, interdisziplinäre Symposium fand mit etwa zwanzig Teilnehmern 1998 in Hamburg statt. Dazu ist auch ein Sammelband in englischer Sprache veröffentlicht. Das zweite Symposium ist die eigentlich große Herausforderung gewesen. Das fand auf chinesischem Boden in Shanghai statt auf dem Campus der zweiten Medizinischen Universität im Herbst 1999. Und da waren über sechzig Teilnehmer vertreten und man konnte ohne weiteres sehen und erleben, wie sich eine Diskussion dieser interdisziplinären und internationalen Gruppe entwickelte, und wie dankbar und konstruktiv diese Initiative aufgenommen worden ist, die natürlich nicht von mir alleine sondern eben in Zusammenarbeit mit einigen Wissenschaftlern, in erster Linie Humangenetikern der dortigen Universität möglich geworden ist.

Sie konnten frei diskutieren?

Wir hatten eine politische Rückenfreiheit dadurch, dass wir einige protokollarische Vorgaben beachtet haben. Ich muss aber darauf hinweisen, dass wir inhaltlich vollkommene Freiheit hatten, dort zu diskutieren. Das heißt, wir haben kontrovers das genannte Eugenik-Gesetz diskutiert, wir haben über Prostitution gesprochen, über Homosexualität, Aids, die Wirklichkeit des medizinischen Alltags. Wir hatten Fallstudien, die teilweise sehr erschütternd waren, an denen wir eben konkret gesehen haben, was es heißt, einen multiplen, missgebildeten chinesischen Embryo zu diagnostizieren und vor der Frage zu stehen, abzutreiben oder nicht. Das wurde alles offen diskutiert. Wir hatten keinerlei Repressalien.

Glauben Sie, dass diese Öffnung anhalten wird?

Und ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, dass das weitergeht. Zumal da sich in Shanghai eine internationale Ethik-Beratergruppe herauskristallisiert hat, die das dortige Humangenetik-Forschungszentrum beraten soll. Man muss allerdings vorsichtig sein mit Prognosen. Es ist für jeden, der in China so etwas versucht, sehr sehr schwer, zu lavieren zwischen dem ideologisch Möglichen und dem, was eigentlich der Sache nach angebracht ist. Es sind natürlich dabei sehr viel Emotionen im Spiel, die Situation ist mancher Orts zum Verzweifeln. Die Not ist sehr groß, der Bedarf ist gigantisch.

Und das vielleicht noch einmal als ein Wort zur Situation der europäischen Diskussion: Ich hoffe nicht, dass wir jemals in die Lage kommen, die Situation in China wirklich am eigenen Leibe erfahren zu müssen, bevor wir uns vielleicht auf ein Niveau begeben das etwas weniger auf eine Luxusethik zusteuert als auf eine wirkliche Gerechtigkeitsethik. Das heißt, wir müssen zunächst einmal eine Grundversorgung für möglichst viele Menschen auf der Welt im medizinischen Bereich zu erreichen bevor wir darangehen, mit enormen Kosten, die alle medizinisch technisch möglichen Verfahren anzuwenden. Es wäre gut und im Sinne der Ethik auch richtig, wenn die europäische Diskussion dahin käme, sich etwas mehr auf die Frage der medizinischen Grundversorgung weltweit zu konzentrieren als auf die Frage des medizinisch technisch in jedem Fall Machbaren, zum Teil aber Unbezahlbaren, wenn man auf die Ebene der internationalen Situation blickt.


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Last Modified: 2002-04-23

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