Index


Project Background
Events
Reports and Essays
Zukunftszeugen




Zukunftszeugen VI - Fritz Vahrenholt
Index Interview
Transkript 1
Transkript 2
Transkript 3
Transkript 4
Transkript 5


Contact Us
Project Partners

Link to Aventis Foundation

Link to CAP




Fritz Vahrenholt
3. Politische Konsequenzen (2): Souveränitätsverlust des Nationalstaates und Wandel der Unternehmen


Inwiefern findet eine Art Souveränitäts-Shift vom Staat auf andere Player, beispielsweise die Unternehmen, statt?

Er hat ja schon statt gefunden. Schauen Sie, wenn Großunternehmen, wie DaimlerChrysler, Bayer oder Aventis, global Standards setzen, dann gelten die in den Werken weltweit. Egal, ob das jetzt Afrika, Vietnam oder Argentinien ist. Oder denken Sie an Beiersdorf. Die müssen natürlich ihre Nivea-Creme in Argentinien genauso gut herstellen, die Produktion muss genauso umweltfreundlich sein, wie in Hamburg. Etwas anderes können Unternehmen sich doch gar nicht mehr leisten. Eine Sauerei, egal, wo in der Welt sie passiert, wird heute via Internet in Sekunden um den Erdball kommuniziert, und es gibt einen so großen Schaden für die Marke mit einem unglaublichen Rückschlag. Und das zwingt die Markennamen dazu, solche Standards auch tatsächlich weltweit einzuhalten. Und damit setzen sie Normen, die über das hinausgehen, was Staaten tun und verlangen. Ich denke bei einigen Ölfirmen, nicht bei allen, ist es zum Beispiel so, dass ihre Schiffe nur noch mit einem bestimmten Schwefelanteil an Heizöl, an Diesel, betrieben werden, oder nur noch doppelwandige Schiffe benutzt werden, weil sie sich nicht erlauben können mit Schiffen zu fahren, die irgendwann auseinander brechen oder eine Ölpest verursachen. Wenn das nur nach der Staatengemeinschaft geht, können die noch zehn, zwanzig Jahre mit diesen Schiffen herum fahren. Und Shell kann sich so etwas nicht leisten.

Multinationals setzen weltweit geltende Normen. . . .

Ja, aber auch Multinationals müssen mittlerweile eine Weltnorm erfüllen, die ihre Kunden von ihnen verlangen, die sonst ihr Benzin nicht mehr kaufen. Insofern gehen sie über das hinaus, was Nationalstaaten verlangen. Und somit gehe ich davon aus, dass ein Teil des Verantwortungs-Shifts auf große Gesellschaften überspringt. Ein Unternehmen, dass 200 Milliarden Umsatz macht, ist von der Power her wie ein Nationalstaat.

Jetzt stellt sich nur die Frage: Wie kriegen wir denn so eine Gesellschaft in eine nachhaltige Position. Und da ist doch bemerkenswert, dass Chemieunternehmen weltweit mittlerweile merken, dass wenn sie noch wie vor zehn Jahren nach dem Motto: Es schaut ja keiner hin und es wird schon gut gehen, und wir kehren den Störfall mal unter den Teppich und werden möglichst noch verheimlichen, verharmlosen, vertuschen. Das ist vorbei. Und Dormann hat das damals als erster gelernt und hat gesagt: Die Hoechst AG fährt auf diesem Kurs gegen die Wand. Die Möglichkeit diese Company noch zu retten war ein totaler Shift in eine ganz andere, ganz neue Produktionsweise.

Es ist schon interessant, was sich in der Welt der Unternehmen tut - ich mache eine Einschränkung - solange die Öffentlichkeit Reaktionen zeigt, wenn sie sich nicht an einen gewissen Kodex halten, stellen sich die Firmen darauf ein. Und wenn sie einen "brand" hat. Also die Firmen, die eine Marke zu verteidigen haben. Die Marke Nivea. Die Marke Aventis. Die darf nicht beschädigt werden. Und das ist manchmal der größere Treiber, als die nationale Gesetzgebung.

Sie haben "kluge Unternehmen" als Schlüsselspieler genannt. Gehört zu der Klugheit noch mehr als dieses PR-Bewusstsein?

Das ist ja mehr als ein PR-Bewusstsein. Es ist ja die Einstellung einer Company. Wenn Sie das nur mit "Window Dressing" machen, mit Public Relations, dann liegen Sie falsch. Sie müssen das Geschäft darauf einstellen, Sie müssen Produkte machen, die zukunftsfähig sind. Beim Mineralöl müssen Sie schwefelfreies Benzin herstellen, das die Umwelt nicht mehr belastet. Sie müssen sich um die nächste Generation an Energieerzeugern, nämlich Wasserstoff, einstellen. Das ist ja keine PR, das ist ja Business. Wenn Sie nur PR machen und Glanzbroschüren, haben Sie schon verloren. Das entpuppt sich bei der nächsten Krise als zu dünnes Eis. Insofern ist die langfristige Orientierung der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit und zur Wettbewerbsfähigkeit von guten Unternehmen.

Es kommt aber noch etwas hinzu: Wer geht denn schon zu den Chemieklitschen der Vergangenheit. Wer geht denn zu den Badguys, zu den Firmen, die sich nicht auf die Zukunft einstellen? Wir brauchen aber, wenn wir ein zukunftsfähiges Unternehmen werden wollen und auch in Zukunft die Nummer eins sein wollen, die besten Kräfte. Die gehen aber nur zu den Firmen, mit denen sie sich identifizieren können. Also auch insofern wirkt das mehr, wenn das gesamte Business, die gesamte Firma, sich auf den neuen Kurs einstellt. Das bedeutet übrigens auch bei einem Transformationsprozess, dass Sie eine unglaubliche Neuorientierung nach innen durchführen müssen. Nur zu sagen: "Wir machen jetzt Wasserstoff!", reicht nicht. Sie müssen auch die Leute mitnehmen, die bis jetzt mehr oder weniger die alten Produkte gemacht haben.

Dazu gehört aber auch ein Bewusstseinswandel einer ganzen Generation an Führungskräften. Ist der schon weit fortgeschritten?

Also ich glaube schon, dass da etwas in Bewegung ist, wenn der CEO von Dow Chemical sagt: "Wir wollen eine Umwelt-Company werden." Wenn Sie sich anschauen, wie Du Pont dabei ist, die Arbeitsunfälle runter zu kriegen. Es geht ja nicht nur um den Umweltschutz, sondern auch um Fragen der sozialen Kompetenz. Das ist ja fast genauso wichtig, wenn man die besten Kräfte gewinnen will. Also, das beginnt, aber ich denke, wir müssen auch dafür sorgen, dass die Kritiker der Unternehmen, also die Greenpeaces dieser Welt, weiter ihre Existenzberechtigung ausspielen. Denn sonst befürchte ich, wenn die Medien dieses Thema verlassen, wenn die NGOs sagen, wir wenden uns anderen Themen zu, dann ist nicht garantiert, dass die Großunternehmen nicht doch in den alten Trott der bloßen Profitmaximierung zurück fallen. Das ist ja auch viel einfacher.


TOP





Project Background | Events | Reports and Essays

Zukunftszeugen | Contact Us | Home Page


Last Modified: 2002-04-23

TOP